Die Industriegeschichte des Sauerlandes bildet den Hintergrund für das außergewöhnliche Netzwerk der Lichtkultur im Sauerland. Die Erzvorkommen im Sauerland prägten die frühe wirtschaftliche Entwicklung der Region. Erste Belege für Bergbau im Sauerland gibt es aus der römischen Zeit, archäologische Belege für den Erzbergbau stammen aus dem frühen Mittelalter. Als eine „vergessene Montanregion der vorindustriellen Zeit“ beschreibt Winfried Reininghaus das westfälische Erzgebirge in der aktuellen kulturgeschichtlichen Forschung. Neben den Rohstoffen gab es auch Kohle und Wasser als Energieträger zur Metallverarbeitung und spätestens seit dem Mittelalter galt das Sauerland als Zentrum der Drahterzeugung.

Im Zuge der allgemeinen Verfügbarkeit elektrischen Lichts und als Teil der metallverarbeitenden Industrie entstanden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Reihe von Leuchtenherstellern. 1910 übernahm Wilhelm Hoffmeister das Lüdenscheider Ingenieurbüro Fritz Backhaus und legte den Grundstein für Unternehmen, das heute unter Hoffmeister Leuchten firmiert. 1929 begann die Produktion von Decken-, Federzug- und Nachttischleuchten, später auch Schreibtisch- und Röhrenleuchten. Die Geschichte der Trilux Gruppe begann 1912 in Menden. Wilhelm Lenze produzierte Zubehörteile für die Leuchten-Industrie sowie einfache Rohrpendel- und Wandleuchten für Gas- und Elektrobeleuchtung. 1934 wurde Erco von Arnold Reininghaus, Paul Buschhaus und Karl Reeber in Lüdenscheid gegründet. In den Anfangsjahren des Unternehmens stellte Erco Teile für Leuchten her, insbesondere einen federgestützten Aufrollmechanismus für Hängeleuchten, sogenannte Zugleuchten. 1945 begann Bega in Menden mit der Produktion von schmiedeeisernen Leuchten.

Sie alle waren auf der ersten Industriemesse, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Hannover stattfand, vertreten. Mit den Worten „Entweder ihr exportiert oder ihr verhungert“ hatte die englische Besatzungsmacht den Aufbau einer Exportmesse angeordnet. Hannover hatte keinerlei Erfahrung mit einer Messe, die Stadt war vom Krieg zerstört und es fehlte an Vorstellungskraft. Wider Erwarten glückte das Experiment. In einer ehemaligen Rüstungsfabrik fand 1947 eine erste Ausstellung statt. Diese und die weiteren „Hannover Messen“ machte dann mit bahnbrechenden technischen Entwicklungen auf sich aufmerksam und sind heute Sinnbild des wirtschaftlichen Aufstiegs der jungen Bundesrepublik Deutschland. Sie trugen auch dazu bei, dass sich die Leuchtenhersteller aus dem Sauerland international positionieren konnten. Für die Weiterentwicklung der mittelständischen Unternehmen in der Region sind heute die internationalen Umsätze ebenso wichtig wie die Deutschland erzielten. „ERCO hat zwar seine Heimat im Sauerland, ist aber im Selbstverständnis eine Metropolen Marke. Unsere Niederlassungen liegen dort, wo die meisten Architekten, Lichtplaner und Elektroplaner ihre Heimat haben und das ist in den Metropolen dieser Welt wie London, Paris oder Singapur. Dort müssen wir uns beweisen. Das Sauerland gibt einem vielleicht die Zeit über die Ansprüche dieser Metropolen in Ruhe nachzudenken.“, beschreibt Tim Henrik Maack die Entwicklung.

Lichtwoche Sauerland

In den letzten Jahrzehnten hat sich eine Vielzahl von Leuchtenherstellern und Vertrieben erfolgreich im Sauerland etabliert. Die Initiative zur ersten „Lichtwoche Sauerland“ wurde von 22 Herstellern getragen. Biennal und alternierend zu der internationalen Fachmesse „light+building“ in Frankfurt ist die Lichtwoche Sauerland ein Format, dass sich an die Idee der Hausmesse anlehnt. Fachpresse, Unternehmen, Institutionen und Initiativen generieren ein Netzwerk von parallelen Produktions- und Vertriebsstandorten und publizieren ein gemeinsames Programm. Die Veranstaltung richtet sich vor allem an Fachbesucher_innen, die die teilnehmenden Unternehmen in selbstgewählte Räume einladen. Zusätzlich gibt es eine Reihe von öffentlichen Veranstaltungen, die dazu beitragen sollen im öffentlichen Bewusstsein für Licht als Material und Werkzeug zu werben und zugleich die Vielzahl der Hersteller_innen und Vertreiber_innen als eine Besonderheit der Region auszuweisen. Seit 2005 hat sich das Format als Branchentreffpunkt etabliert und die Anzahl der Kooperationen hat sich mehr als verdoppelt. 2017 findet die Lichtwoche Sauerland zum achten Mal statt und die Zahl der beteiligten Unternehmen ist auf fast 50 angewachsen .

Lichtforum NRW

Seit 2013 wird die Lichtwoche Sauerland vom „Lichtforum NRW“ koordiniert. Das Lichtforum NRW hat seinen Sitz in Arnsberg. Ziel des Vereins ist die fachliche Begleitung des lichttechnischen Wandels. „Das Lichtforum NRW versteht sich hierbei als neutrale Plattform, an dem Wissen gebündelt und weitergereicht wird.“ Dabei ist einer der selbstgewählten Schwerpunkte, die Sensibilisierung für die biologischen und ökologischen Wirkungen des elektrischen Lichts. „Die Berücksichtigung und Bearbeitung von Themen wie z.B. unnütze Lichtverschwendung bzw. so genannte „Lichtverschmutzung“, ökologische Verträglichkeit der Lichtwirkung oder auch das menschliche Wohlbefinden im Innen- und Außenraum runden dabei das Interesse zum nachhaltigen Handeln ab.“ In der Trägergesellschaft finden sich fast zwanzig Unternehmen aus der Region, die die Gespräche zur Lichtkultur, die Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen und die Lichtwoche Sauerland fördern.

Das Lichtforum NRW verwaltet auch eine Sammlung von historischen Lampen und Leuchten, anhand derer sich die Geschichte der Beleuchtung nachvollziehen und illustrieren lässt. Im Laufe der letzten Jahre hat es eine Reihe von Leihausstellungen gegeben, gegenwärtig ist die Sammlung nicht öffentlich zugänglich. Bereits 1990 wurde ein Verein zur Förderung eines Museums für Licht und Beleuchtung ins Leben gerufen, um ein dauerhaftes Ausstellungskonzept für die Sammlung zu entwickeln, um Lampen und Leuchten in ihren kulturhistorischen Kontexten zu zeigen. Bis zur Umsetzung organisiert das Lichtforum NRW den Zugang zur Sammlung zur Forschungszwecken sowie die Leihgabe für andere Ausstellungszusammenhänge.

Highlight

Zu den Initator_innen der „Lichtwoche Sauerland“ und dem „Lichtforum NRW“ gehört das Mediencluster „Highlight“, dessen Redaktion in Rüthen sitzt: Das Online Portal „Highlight Web“ ist ein Fachportal mit redaktionellen Beiträgen, Terminen, einer Herstellerdatenbank und einer überregionalen Stellenbörse. Seit über 25 Jahren ist die Zeitschrift „Highlight“ eines der deutschsprachigen Fachmagazine für Lichttechnik und Lichtdesign. Sie erscheint sechs Mal im Jahr in einer Auflage von 10.000 Exemplaren. Das Sonderheft „Lichtreport“ ist den technischen Produkten der Leuchten Industrie gewidmet und erscheint zwei Mal im Jahr mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren. Zu den Branchenevents, die von der „Hightlight“ entwickelt und organisiert werden, gehört neben der „Lichtwoche Sauerland“ auch der Wettbewerb „Leuchte des Jahres“ und der „Deutsche Lichtdesign-Preis“.

DIAL

Das dichte Cluster der Leuchten Industrie im Sauerland führte auch dazu, dass 1989 das Deutsche Institut für Angewandte Lichttechnik [DIAL] in Lüdenscheid gegründet wurde. Trägergesellschaft ist ein Netzwerk der Lampen und Leuchten Industrie . Gemeinsames Ziel ist Entwicklung und Vertrieb von Software zur Lichtgestaltung sowie Wissens- und Qualitätsmanagement im Zusammenspiel von Licht, Steuerung und Architektur. Die im DIAL entwickelte Software „Dialux“ ist weltweit im Einsatz, in 25 Sprachen übersetzt und wird von über 600.000 Nutzer_innen angewandt . Mit „Dialux“ lässt sich Licht gestalten, berechnen und visualisieren. In Ergänzung dazu ist „Lumsearch“ eine Suchmaschine, um die passenden Leuchten zu identifizieren. Außerdem können in den DIAL Laboren Lampen, Leuchten und Steuerungsgeräte geprüft werden. Eine Vielzahl von Seminaren und Fortbildungen dient sowohl dazu grundlegende Fachkenntnisse zu vermitteln wie auch Innovationstransfers zeitnah zu ermöglichen.

FH SWF

Im Laufe der letzten 25 Jahre hat sich die Gestaltung von Licht und die Entwicklung von Lichtwerkzeugen zur eigenständigen Expertise mit akademischem Curriculum entwickelt. Fokus des Studiums der Elektro- und Informationstechnik an der Fachhochschule Südwestfalen sind Energie, Licht und Automation in Wirtschaft, Entwicklung und Forschung. Im Rahmen des Studienschwerpunktes „Licht“ geht es sum klassische Beleuchtungsaufgaben, aber auch um die vielen Qualitäten von Licht, die Forschung und Wissenschaft erst nach und nach aufschlüsseln und die in unzähligen technischen Anwendungen umgesetzt werden. Die Kenntnis der neuen Lichttechnologien eröffnet Ingenieur_innen der Elektrotechnik vielfältige Einsatzmöglichkeiten von der Architekturbeleuchtung, in der Automobilindustrie, in der Medizintechnik oder in technischen Anwendungen, in denen Licht z.B. für die Qualitätssicherung oder in der Automation benutzt wird. In Kooperationen mit regional ansässigen Unternehmen und Instituten wurde das Zusammenspiel von technischem Wissen, Innovationsmanagement und unternehmerischem Handeln strategischer Teil der Ausbildung . Die Verankerung in der Region lässt sich auch an der Verortung der Hochschule mit Standorten in Hagen, Iserlohn und Lüdenscheid ablesen.

Phänomenta Lüdenscheid

In unmittelbarer Nachbarschaft zur Fachhochschule Südwestfalen in Lüdenscheid, steht die Phänomenta. Leitendes Interesse des Science Centers ist es, das Verständnis für Technik und Wissenschaft in der allgemeinen Öffentlichkeit
zu fördern. Entsprechend des regionalen Schwerpunkts gibt es besonders viele Angebote zur Physik des Lichts. Dazu gehören auch licht-basierte Architektur- und Kunstobjekte, die dauerhaft in die Sammlung der Phänomenta integriert wurden, u.a. von Paul Friedlander, Tom Groll und Cork Marcheschi.

Städtische Galerie Lüdenscheid

Weitere Lichtkunstwerke sind in der Städtischen Galerie Lüdenscheid zu finden.
Eine kleine Sammlung von Arbeiten sind in dem Sammlungsraum „Licht und Bewegung“ zu sehen, dessen Titel sich anlehnt den zusätzlichen Ausstellungsraum „Licht und Bewegung“, in dem 1964 erstmals licht-basierte Arbeiten auf der Documenta gezeigt wurden. Uwe Obier, der ehemalige Direktor der Städtischen Galerie, ergänzte seit den 1960er die Sammlung regelmäßig um Arbeiten von Werner Bauer, Hartmut Böhm, Victor Bonato, Günter Dohr, Rolf Glasmeier, Heinz Mack, Christian Meggert, Otto Piene und Timm Ulrichs.

Kunst im öffentlichen Raum

In der Innenstadt von Lüdenscheid sind licht-basierte Arbeiten, u.a. von Klaus und Yvonne Goulbier und Stefan Sous zu finden. In Schalksmühle realisierte die Künstlerin Diana Ramaekers ein licht-basierte Konzept für einen öffentlichen Park. Dauerhafte Lichtkunstwerke im öffentlichen Raum gibt es auch, wo das Sauerland auf den Hellweg stößt. Der „Hellweg“ war eine historische Handelsstraße, die bis zum 19. Jahrhundert eine der wichtigen Ost-West-Verbindungen war. Seit 2002 sind eine Reihe von permanenten Lichtkunstwerken im öffentlichen Raum entstanden, die unter der Dachmarke „Hellweg – Ein Lichtweg“ gemeinsam kommuniziert werden. In Soest sind Arbeiten von Richard A. Cox und molitor&kuzmin zu sehen. Sie sind jederzeit öffentlich zugänglich.

Ebenfalls seit 2002 wird in Lüdenscheid das Lichtkunstprojekt „Lichtrouten“ realisiert. Es gilt heute als einer der Ankerpunkte des Konzeptes „Lüdenscheid – Stadt des Lichts“ und wird vom Lüdenscheider Stadtmarketing produziert. „Mit dem Thema Licht und den LichtRouten insbesondere konnte, weitreichende Aufmerksamkeit für die Stadt Lüdenscheid und für das Sauerland erreicht werden. Damit konnten wir zeigen, dass die landläufigen Vorurteile gegenüber dieser Region, die ich oft nicht mehr nachvollziehen kann, sich nicht aufrechterhalten lassen. Als gebürtiger und immer im Sauerland lebender Bürger erfreut es mich schon, wenn es uns gelingt, diese Aspekte deutlich zu machen.“, beschreibt Jörg Marré das erfolgreiche Zusammenspiel von Stadtmarketing und Kunstprojekt. Schon 2004 hatte Sauerland Initiativ die Lichtrouten als innovatives Format ausgezeichnet.

Seit 2009 präsentiert das Lichthaus Arnsberg, eine kooperativer Projektraum, eine Serie von Projekten junger zeitgenössischer Kunst. Im Zusammenspiel von Architektur, Geschichte und Kunst entstehen häufig multimediale Arbeiten, darunter auch solche, die Licht als Material oder Medium nutzen.

Lichtspiele

Auch die klassischen Natur- und Kulturräume, die mit dem Sauerland assoziiert werden, werden durch Lichtspiele zum Treffpunkt in der Region. Seit 2010 wird der Wildwald Vosswinkel von der Neheimer Eventagentur „Eventvision“ bespielt. Seit 2011 wird einmal im Jahr die Dechenhöhle von dem Lichtdesigner Wolfgang Flammersfeld mit großflächige Farblichtprojektionen verwandelt. 2013 bespielte er auch die Staumauer des Möhnesees anlässlich des 100-jährigen Bestehens. Seit 2015 ist er auch der Gestalter des „Herbstlichtgartens“ in Hemer. Auch ehemaligen Industriestandorte wie z.B. die Luisenhütte in Balve werden regelmäßig mit Licht inszeniert. Unter dem Titel „Luise heizt ein“ wird die ehemalige Hütte zur Bühne für Feuer und Licht und illustriert die historischen Bilder von der Arbeit am historischen Hochofen zur Unterhaltung des 21. Jahrhunderts .

Ausstrahlungskraft

Fragt man den Lüdenscheider Künstler Tom Groll, warum er im Sauerland verortet ist, sagt er: „Das technische Know How, sowie die Offenheit der Industrie für meine Kunst mit Licht, als auch die Projektarbeit im Öffentlichen Raum, öffneten mir die Türen zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit.“ Die vielen Lichtverwandtschaften sind heute eines der zeitgenössischen Auszeichnungsmerkmale des Sauerlandes. Die Grenzverläufe von Physik und Technik, Forschung und Entwicklung, Design und Kunst, Lebenswelten und Spielräumen sind aufgrund geografischer Nähe und personen-gebundenen Netzwerken in hohem Masse durchlässig. Entlang der vielfältigen Qualitäten von elektrischem Licht ist in den letzten 100 Jahren ist ein einzigartiges Kompetenz-Cluster entstanden, mit dem sich das Erscheinungsbild der Region nachhaltig verändert hat.

Text: Bettina Pelz. Veröffentlicht: 20. Februar 2018.

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